Standpunkt zur PHC-Reform

Das Primary Health Care Konzept aus Sicht der JAMÖ

Bezug nehmend auf den Arbeitsentwurf vom 23.6.2014 nach Abschluss der Verhandlungen zwischen Bundesministerium für Gesundheit und der österreichischen Ärztekammer.

Reform der Primärversorgung

In unseren Augen ist eine Veränderung der Primärversorgung notwendig, um auch in Zukunft die Versorgung der Menschen im allgemeinmedizinischen Bereich zu sichern. Als junge AllgemeinmedizinerInnen begrüßen wir den interdisziplinären Dialog in dem dieses Konzept erarbeitet wurde. Eine gemeinschaftliche Kommunikation und das Finden eines gemeinsamen Konsens ist wichtig und wird über die Umsetzbarkeit der formulierten Ziele entscheiden. Geheime Sonderverhandlungen mit Vertretern einzelner Gruppen stehen diesem Ansinnen jedoch eher entgegen.

Zusammenarbeit

Primärversorgung besteht nicht nur aus akuter medizinischer Versorgung. In Bereichen wie psychischer Gesundheit, Versorgung chronisch Kranker, Rehabilitation, palliativer Versorgung, und nicht zuletzt Gesundheitsförderung und -Erhaltung sind dringend Verbesserungen notwendig. Diese vielfältigen Aufgabenbereiche machen deutlich: Die Gesundheitsversorgung muss im Team stattfinden. Durch die stärkere Einbindung diverser Berufsgruppen wird die Koordination untereinander erleichtert und die Kombination der vielfältigen Aufgaben in der Primärversorgung erst ermöglicht. Im intramuralen Bereich sind interdisziplinäre und interprofessionelle Tumorboards oder Rehabilitations-Boards selbstverständlich geworden, in denen durch die gemeinsame Expertise ein umfassender Plan über die für den individuellen Patienten bestmögliche Behandlung erstellt wird. Im niedergelassenen Bereich findet ebenfalls eine Zusammenarbeit statt, die aber noch weniger "institutionalisiert" ist. Mit dem vorliegenden Konzept zieht das System in der kontinuierlichen Entwicklung der Realität nach und unterstützt diesen zukunftsweisenden Ansatz.

Die Arbeit im Team

Die Arbeit in interprofessionellen und interdisziplinären Teams sehen wir als Bereicherung an, in denen alle Beteiligten viel voneinander und miteinander lernen können. Die unterschiedlichen Kompetenzen der Teammitglieder ermöglichen vielfältige und neue Perspektiven. Es ist zu erwarten, dass durch einen erweiterten Erfahrungsschatz, den die beteiligten Teammitglieder mitbringen, eine bessere Versorgung unserer gemeinsamen PatientInnen ergibt. Die klar definierte Aufteilung der Aufgaben zwischen den Berufsgruppen wird Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit werden. Diese Aufteilung sollte mit den involvierten Berufsgruppen in einem offenen und konstruktiven Dialog stattfinden. Sowohl die in der Ausbildung erworbenen Kompetenzen als auch die vorhandene wissenschaftliche Evidenz muss dabei berücksichtigt werden.

Vergütung

Eine Abkehr von einer reinen "Fee-for-Service" Vergütung, wie sie momentan besteht, sehen wir als den richtigen Weg. Durch den richtigen Mix von verschiedenen Vergütungsmethoden kann einerseits die finanzielle Situation der Versorger gesichert werden und andererseits in bestimmten Bereichen, wo Nachholbedarf besteht, ein gezielter Anreiz zu mehr Angebot gesetzt werden. Pauschalen helfen dabei, Leistungen zu vergüten, die schwer in einem Katalog mit Punkten versehbar sind und können auch helfen, die mit der Abrechnung verbundene Bürokratie zu erleichtern.

Transparenz

Die hitzige Diskussion über eine Umstrukturierung des Vertragsverhältnisses zwischen Versicherer und Versorger und die Sorge um finanzielle Nachteile oder die Bevorzugung finanzkräftiger, eventuell profitorientierter Unternehmen, machen deutlich, dass es sich um einen sehr sensibles Thema handelt. Dies bedeutet für uns, dass alle Beteiligten dazu aufgerufen sind im weiteren Prozess der Konkretisierung der Umsetzung des Konzeptes, die größtmögliche Transparenz an den Tag zu legen. Nur durch einen absolut transparenten und konstruktiven Verhandlungs- und Entscheidungsprozess, können alle Seiten und auch die Bevölkerung sicher sein, dass die Versorgung in Zukunft bestmöglich und im Sinne der Allgemeinheit sichergestellt ist.

Stärkung der Primärversorgung

Sollen AllgemeinmedizinerInnen in Zukunft eine Führungsrolle in den Primärversorgungs-Teams übernehmen, so muss diese speziellen Aufgabe auch eine besondere Aufmerksamkeit, sowohl in der prä- als auch postgraduellen Ausbildung, zukommen. Das Konzept macht durch die definierten Funktionen einer gestärkten Primärversorgung auch deutlich, dass die Primärversorgung eine ganz eigene Herausforderung darstellt, deren Eigenheiten in einer entsprechend darauf zugeschnittenen Ausbildung gelehrt werden müssen. Neben mehr Zeit in der Lehrpraxis sind also auch Public Health Kenntnisse und Leadership-Skills gefragt.

Freier Zugang

Unklar ist uns, weshalb in letzter Sekunde noch der freie Zugang zu allen Versorgungsstufen festgeschrieben wurde. Dies stellt unserer Meinung nach einen Widerspruch zum Bekenntnis der abgestuften Diagnostik dar. Eine gewisse Einschränkung wird, langfristig gesehen, notwendig sein, um Spitäler wirklich zu entlasten. Dies liegt nicht nur im Interesse des dadurch entlasteten Spitalpersonals, sondern auch im Interesse der PatientInnen. Eine gestärkte Primärversorgung kann helfen, Überversorgung mit unnötiger Diagnostik und Eingriffen zu vermeiden.

Fazit

Das bestehende Konzept macht uns optimistisch, dass wir in Zukunft besser Arbeitsbedingungen und mehr Teamarbeit in der Primärversorgung vorfinden werden, womit auch das Profil des Faches Allgemeinmedizin geschärft wird. Hier kann ein großer Schritt in Richtung einer verbesserten Primärversorgung getan werden kann. Wir werden die Konkretisierung des PHC-Konzeptes jedenfalls aufmerksam verfolgen und erwarten uns größtmögliche Transparenz und Offenheit aller Beteiligten im weiteren Prozess. Position als PDF-Download PHC-Konzept (Bundesministerium für Gesundheit)