Zur Primärversorgungsdiskussion

Wir beobachten die Entwicklungen rund um die Primärversorgung sehr genau. Jedoch können wir die derzeitige Aufregung nicht nachvollziehen, da uns noch kein Entwurf des Primärversorgungsgesetzes vorliegt. Grundsätzlich sind wir neuen Versorgungsformen gegenüber positiv eingestellt, jedoch gibt es sicherlich einige Fallstricke, die man sich genau ansehen wird müssen. Nicht zuletzt muss auch darauf geachtet werden, dass keine Schere zwischen bisherigem und neuem System aufklafft. Wir hoffen, dass die Diskussion über die Primärversorgung zukünftig konstruktiv und respektvoll geführt wird und sich nicht auf wechselseitige Schlagabtäusche mittels Presseaussendungen reduziert.

Langfassung

Die JAMÖ beobachtet mit großer Aufmerksamkeit die derzeitigen Entwicklungen rund um die Primärversorgung. Immerhin sind wir als junge und zukünftige Allgemeinmediziner unter den ärztlichen Berufen wohl am meisten von den geplanten Reformen betroffen. Allerdings liegt uns derzeit kein öffentlich oder nicht-öffentlich einsehbarer Entwurf für ein Primärversorgungsgesetz vor. Wir können daher nicht beurteilen, ob die Bedenken der Ärztekammer berechtigt und die angedachten Maßnahmen angemessen sind. Die derzeit veröffentlichten “politischen Eckpunkte” lassen noch einiges an Spielraum zu und werden in der detaillierten Ausführung zu beurteilen sein.

Grundsätzlich sind wir neuen Versorgungsformen aus vielen Gründen durchaus positiv eingestellt. So ist gerade für junge Allgemeinmediziner direkt nach Abschluss der Ausbildung eine sofortige Niederlassung als Freiberuflicher oft weder möglich noch sinnvoll. Die Möglichkeit, einige Zeit in einem geregelten Angestelltenverhältnis, gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen, echte Allgemeinmedizin zu praktizieren, erleichtert sicher vielen Kollegen den Einstieg in das Berufsleben nach der sehr spitalslastigen Ausbildung.

Sicherlich sollten jedoch auch die Bedenken, z.B. bezüglich Eigentümerschaft der PHC-Einrichtungen durch profitorientierte Unternehmen oder mangelnde Kontinuität in der Versorgung, ernst genommen werden. In der weiteren Diskussion sollten daher auch Maßnahmen diskutiert werden, wie eine kontinuierliche Versorgung durch ein überschaubares PHC-Team gewährleistet werden kann. Gerade hier ist aber die freie Wahl der Versorgungsebene – nicht zu verwechseln mit der freien Arztwahl – durchaus zu diskutieren.

Bereits jetzt leidet eine kontinuierliche Versorgung oft unter dem freien Zugang zur spezialisierten Einrichtungen wie Spitalsambulanzen. Daher sollten auch Mechanismen diskutiert werden, wie die Patientinnen und Patienten am besten ihr PHC-Team als erste Anlaufstelle wahrnehmen können.

Des Weiteren sollte nicht vergessen werden, dass wohl noch für viele Jahre oder Jahrzehnte die Primärversorgung nicht vorrangig durch neue PVEs stattfinden wird, sondern von HausärztInnen im bisherigen, “alten” System.

Um die Attraktivität des hausärztlichen Berufes zu erhalten, bedarf es daher nicht nur eines neuen Primärversorgungsgesetzes, sondern einer Attraktivierung des gesamten hausärztlichen Berufes. Das Primärversorgungsgesetz und das im Rahmen dessen hoffentlich attraktivere Honorierungssystem, sind also nur ein Teil der notwendigen Maßnahmen, um die Primärversorgung in Zukunft auf sichere Beine zu stellen.

Fazit

Wir bedauern es, dass die Diskussion rund um das so wichtige Thema der Primärversorgung so negativ geführt wird. Dementsprechend hoffen wir, dass sich die derzeitige Diskussion auf eine konstruktivere Ebene verlagert und nicht auf Schlagabtäusche mittels Presseaussendungen reduziert. Durch sinnvolle Maßnahmen im Bereich der Primärversorgung ließe sich viel positives für alle Beteiligten im Gesundheitssystem erreichen – nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die beteiligten Berufsgruppen und die finanzierenden Stellen.